Frauen in der Minijob-Falle

Duisburg, 29. November 2020

Für Frauen und Mütter ist der Minijob bis 450 Euro pro Monat zumeist die attraktivste Beschäftigungsform. Darüber hinaus gehende Arbeit in Teilzeit lohnt sich für sie vergleichsweise wenig. Für Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohn ist sogar nur die Aufnahme eines Kleinstjobs bis 100 Euro monatlich attraktiv. Da sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der renommierten Bertelsmann Stiftung aus Gütersloh.

Nach Meinung der Forscher setzt das Steuer- und Sozialversicherungssystem in Deutschland falsche Anreize. So werden insbesondere Zweitverdienende in Paarhaushalten mit hohen Steuern und Abgaben belastet, wenn sie eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung aufnehmen.

Verdient der Mann 48.000 Euro brutto im Jahr, würde die Frau bei einem Stundenlohn von zehn Euro und einem Minijob mit zirka zehn Wochenstunden 5.400 Euro im Jahr hinzuverdienen – und zwar ohne Abzüge aufgrund der Sonderregelung für Minijobs. Wählt sie stattdessen einen Teilzeitjob mit 20 Wochenstunden bei gleichem Bruttostundenlohn, bleiben der Familie 6.293 Euro im Jahr zusätzlich.

Noch stärker werden allerdings die Einkommen von Alleinerziehenden – und damit häufig die von Müttern – im Niedriglohnbereich belastet: Für Alleinerziehende mit zwei Kindern rechnet sich beispielsweise bereits eine Beschäftigung über den Kleinstjob (100 Euro pro Monat) hinaus kaum. Verglichen mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II bleiben ihnen bei der Aufnahme eines Minijobs 2.040 Euro im Jahr beziehungsweise 38 Prozent ihres zusätzlich verdienten Einkommens übrig. Bei zehn Euro Bruttostundenlohn sind es in einem Teilzeitjob (20 Wochenstunden) 3.040 Euro und in einem Vollzeitjob (40 Wochenstunden) 8.038 Euro jährlich und damit gerade einmal 29 Prozent beziehungsweise 39 Prozent ihres Brutto-Hinzuverdienstes.

Am höchsten ist die Belastung im Niedriglohnsektor für Alleinstehende ohne Kinder. Entscheiden sie sich für eine Vollzeitbeschäftigung, bleiben ihnen sogar nur 25 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Das sind bei einem Bruttostundenlohn von zehn Euro lediglich 5.283 Euro pro Jahr mehr als in Arbeitslosigkeit. Umgerechnet bedeutet dies, dass sie bei der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich nur 2,50 Euro netto pro Stunde hinzuverdienen.

Die Untersuchung belegt, dass für Alleinstehende und Alleinerziehende, die besonders häufig im Niedriglohnsektor tätig sind, eine Anpassung der Hinzuverdienstregelung notwendig ist. Um die Anreize zur Arbeitsaufnahme für Zweitverdienende zu stärken, ist hingegen eine Einschränkung von Minijobs und eine Reform des Ehegattensplittings von zentraler Bedeutung.

„Eine Zweitverdienerin müsste doppelt so viel arbeiten, um nicht einmal 1.000 Euro mehr im Jahr in der Tasche zu haben. Die Nettomehreinnahmen stehen in keinem Verhältnis zur zusätzlichen Arbeit. Im Niedriglohnbereich sind die Hürden, eine Arbeit aufzunehmen, zu hoch. Derzeit tragen Beschäftigte, die es ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, eine besonders große Last – das müssen wir ändern“, fasste Bertelsmann Stiftungs Vorstand Jörg Dräger aus seiner Sicht die Studie zusammen.