Armutsrisiken haben sich in Deutschland verfestigt

Duisburg, 13. März 2021

Wer in Deutschland einmal unter die Armutsgrenze rutscht, bleibt immer öfter länger arm. So beträgt der Anteil dauerhaft von Armut bedrohter Menschen an allen Armen 44 Prozent – und ist damit mehr als doppelt so hoch wie noch 1998, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden berichtete. Zudem droht die Corona-Pandemie die finanzielle Situation benachteiligter Gruppen zu verschärfen: Auch wenn höhere Einkommensgruppen im ersten Lockdown häufiger Einkommenseinbußen hatten, kämpften neben Selbstständigen besonders Menschen mit niedrigen Einkommen, Geringqualifizierte und Alleinerziehende mit finanziellen Schwierigkeiten.

Die Ungleichheit der Einkommen schlägt sich auch in den Einstellungen der Bevölkerung nieder. Niedrige Einkommen werden überwiegend als ungerecht bewertet. Gleichzeitig hält nur knapp jede/-r zweite Beschäftigte den eigenen Bruttolohn für gerecht. Diese Befunde zu den Lebensverhältnissen liefert der neue Datenreport 2021 – ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Fachleute aus amtlicher Statistik und Sozialforschung haben darin Zahlen und Fakten zu wichtigen Lebensbereichen zusammengestellt. 

2018 lebte in Deutschland fast jede/-r Sechste, das waren 15,8 Prozent, unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Diese lag 2018 bei 1.040 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt. Bei einem Ein-Elternhaushalt mit einem Kind unter 14 Jahre bei rund 1.352 Euro. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr, da waren es 17,3 Prozent leicht gesunken, das Armutsrisiko liegt aber deutlich über dem Niveau Ende der 1990er-Jahre mit knapp elf Prozent.

Auch verfestigen sich die Armutsrisiken. Wer einmal unter die Armutsgrenze rutscht, verbleibt immer länger in diesem Einkommensbereich: Von den Personen, die im Jahr 2018 unter die Armutsrisikoschwelle fielen, waren 88 Prozent bereits in den vier Jahren zuvor zwischen 2014 bis 2017 zumindest einmal von Armut bedroht. Die Hälfte davon, demnach 44 Prozent, befand sich in diesem Zeitraum vier Jahre durchgehend in diesem niedrigen Einkommenssegment.

Damit hat sich der Anteil der dauerhaft von Armut bedrohten Personen an allen Armen in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt: 1998 betrug er noch 20 Prozent. Das Risiko, in Armut zu leben, ist besonders hoch für Alleinerziehende mit 41 Prozent, Menschen mit Hauptschulabschluss und ohne Berufsabschluss mit 35 Prozent und Menschen mit Migrationshintergrund mit 29 Prozent. 

Das hohe Ausmaß sozialer Ungleichheit schlägt sich auch in den Einstellungen und Wahrnehmungen der Menschen nieder. Nur knapp die Hälfte der Bevölkerung sieht das eigene (Brutto-)Einkommen als gerecht an. Vor allem niedrige Einkommen werden als ungerecht wahrgenommen. Sehr hoch ist auch der Anteil derjenigen, die sich dafür aussprechen, dass sich der Staat für den Abbau von Einkommensunterschieden engagieren soll. Das befürworten in Westdeutschland mittlerweile fast drei Viertel der Menschen – 2002 war es noch weniger als die Hälfte -, in Ostdeutschland sind es rund 80 Prozent.

Große Unterschiede zeigen sich bei den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie. So berichteten für Ende März bis Anfang Juli 2020 17 Prozent der an- und ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter und knapp 14 Prozent der einfachen Angestellten von finanziellen Schwierigkeiten. Bei Bezieherinnen und Beziehern von Niedrigeinkommen war es fast jede/-r Fünfte. Bei den Facharbeiter-, Meister- und qualifizierten Angestelltenberufen fielen die Anteile mit rund neun Prozent deutlich niedriger aus.

Am häufigsten waren Alleinerziehende mit 25 Prozent und Selbstständige mit 20 Prozent von finanziellen Problemen im Zuge der Pandemie betroffen. Auch Menschen, die nach Deutschland zugewandert sind, berichteten mit 15 Prozent fast doppelt so häufig von finanziellen Schwierigkeiten wie Menschen ohne Migrationshintergrund acht Prozent.