In der Corona-Pandemie hat die Debatte über eine Entgrenzung von Arbeit und Privatleben an Fahrt aufgenommen. Schon vor Ausbruch der Pandemie waren überlange Arbeitszeiten bei Beschäftigten in Deutschland keine Seltenheit: Fast jede zehnte in Vollzeit erwerbstätige Person mit 9,7 Prozent gab 2019 an, gewöhnlich mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) aus Wiesbaden anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai bekannt gab. Das Ausmaß überlanger Arbeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert: 1991 betrug der Anteil der betroffenen Erwerbstätigen 10,3 Prozent.
Einzelne Gruppen von Erwerbstätigen sind unterschiedlich stark von überlangen Arbeitszeiten betroffen. Für Selbstständige gehören lange Arbeitstage besonders häufig zum Alltag: Nahezu die Hälfte mit 46,3 Prozent arbeitete gewöhnlich mehr als 48 Stunden in der Woche. Der Anteil war allerdings 1991 deutlich höher: 61,4 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit überlangen Arbeitstagen von 4,9 Prozent auf 5,4 Prozent im Jahr 2019. Hier waren es zuletzt vor allem Führungskräfte, die sehr lange arbeiteten: Auf fast jede dritte mit 30,3 Prozent traf dies zu.
Trotz der anhaltenden öffentlichen Diskussion über eine Verkürzung der Arbeitszeit hat sich diese für Vollzeiterwerbstätige in den vergangenen Jahrzehnten kaum verringert. 2019 arbeiteten diese im Schnitt 41 Stunden pro Woche – 1991 waren es noch 41,4 Stunden. Durch die wachsende Zahl von Teilzeitbeschäftigten ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen seit 1992 allerdings deutlich zurückgegangen: 2019 lag sie bei 34,8 Stunden, das waren fast vier Stunden weniger als 1991 (38,4 Stunden). Teilzeitbeschäftigte arbeiteten zuletzt durchschnittlich 19,5 Stunden pro Woche.
Eine regelmäßige Beschäftigung in den Abend- und Nachtstunden oder am Wochenende – zu Zeiten also, in denen die Mehrheit der Erwerbstätigen ihre Freizeit genießt – kann als zusätzliche Belastung empfunden werden. Der Anteil der Erwerbstätigen, die regelmäßig abends zwischen 18 und 23 Uhr arbeiten, hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Im Jahr 2019 arbeitete fast jede fünfte erwerbstätige Person regelmäßig abends, das waren 18,1 Prozent. In der Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war der Anteil mit 16,7 Prozent etwas geringer. Unter den Selbstständigen mit Beschäftigten machte dagegen 2019 mehr als ein Drittel regelmäßig spät Feierabend mit 39 Prozent.
Ein deutlich einheitlicheres Bild zeigt sich beim Anteil der Erwerbstätigen, die regelmäßig nachts arbeiten: 2019 machten sowohl unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch unter den Selbstständigen mit Beschäftigten arbeitete jede beziehungsweise jeder zwanzigste regelmäßig oder ständig nachts mit 4,9 Prozent beziehungsweise 5,1 Prozent.
Die Arbeitszeiten in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur stärker in die Abendstunden verlagert – auch die Arbeit am Wochenende ist inzwischen verbreiteter als vor 30 Jahren. Nahezu jede beziehungsweise jeder vierte Erwerbstätige mit 24,1 Prozent arbeitete 2019 regelmäßig an Samstagen; der Sonntag war zuletzt für etwa jede achte erwerbstätige Person mit 12,8 Prozent regelmäßig ein Arbeitstag.
Vor allem Selbstständige sind am Wochenende im Einsatz: Mehr als die Hälfte der Selbstständigen mit Beschäftigten mit 54,2 Prozent arbeiteten 2019 am Samstag. Bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern waren es 21,8 Prozent. Sonntags ging gut jede vierte selbstständige Person ihrer Erwerbstätigkeit nach mit 26,4 Prozent, bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur gut jede zehnte mit 11,7 Prozent.
Eine flexiblere Ausgestaltung der Arbeitszeit ist gerade in Corona-Zeiten für viele Erwerbstätige wünschenswert, beispielsweise angesichts zeitweise geschlossener Schulen und Kindergärten. Vor Ausbruch der Pandemie im Jahr 2019 gab nahezu jede zweite erwerbstätige Person zwischen 15 und 74 Jahren in Deutschland an, sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen zu können: 21 Prozent konnten komplett frei über ihre Arbeitszeit verfügen, weitere 28 Prozent zumindest teilweise.
Damit müssen sich Erwerbstätige in Deutschland seltener nach vorgegebenen Arbeitszeiten richten als in anderen Staaten der Europäischen Union: Im EU-Durchschnitt war zuletzt für 61 Prozent der Erwerbstätigen die Arbeitszeit durch Arbeitgeber, oder andere Regelungen vorgegeben. Nur 18 Prozent der Erwerbstätigen konnten völlig frei über Beginn und Ende der eigenen Arbeitszeit entscheiden, 21 Prozent zumindest teilweise.