Einkommensungleichheit bedroht 12,7 Millionen Menschen

Duisburg, 25. Januar 2017

Duisburg, 28. Februar 2017

Seit 1991 nehmen die Realeinkommen weniger zu als die Wirtschaftskraft in Deutschland. Besonders betroffen davon sind die unteren Einkommensgruppen, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) feststellte. Die Einkommensungleichheit hat deutlich zugelegt. 12,7 Millionen Menschen in Deutschland sind akut von Armut bedroht.

Von 1991 bis 2014 stiegen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte real, was bedeutet unter Berücksichtigung der Preisentwicklung, um zwölf Prozent. Gleichzeitig legte das Bruttoinlandsprodukt um 22 Prozent zu.

Vor allem die unteren Einkommensgruppen haben heute deutlich weniger Geld zur Verfügung als noch vor 25 Jahren. Gleichzeitig stieg das Einkommen der mittleren Einkommensgruppen um rund acht Prozent, noch besser ging es den höheren Einkommensgruppen, die momentan rund 27 Prozent mehr Geld zur Verfügung haben.

Insgesamt haben die unteren 40 Prozent auf der Einkommensskala den Anschluss an die anderen 60 Prozent deutlich verpasst. Die Einkommensschere klappt somit immer weiter auseinander. Niedriglohnsektor und atypische Beschäftigungsverhältnisse haben das möglich gemacht. Gleichzeitig befeuert natürlich auch die Einkommensungleichheit das Armutsrisiko, das immer weiter zunimmt.

Davon betroffen sind Personen aus Haushalten, die weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung haben. 2014 waren das 12,7 Millionen Menschen in Deutschland und damit knapp 16 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung. Alleine 20 Prozent aller Kinder und Jugendliche in Deutschland sind darunter die Leidtragenden.

Noch höher ist das Armutsrisiko der 25- bis unter 35- Jährigen, und zwar mit 21 Prozent. Aber eben natürlich auch das der Rentner. In den ostdeutschen Bundesländern erhöhte sich das zwischen 2002 und 2014 von sieben auf 15 Prozent, in den alten Bundesländern im selben Zeitraum von zwölf auf 14 Prozent.

Niedriglohn gelebte Normalität

Duisburg, 20. Dezember 2016

Duisburg, 23. Dezember 2016

Niedriglohn ist kein deutsches Phänomen, Dumpinglöhne sind in Europa überall weit verbreitet. In der Europäischen Union (EU) war 2014 jeder Sechste Niedriglohnempfänger, wie Eurostat, das Statistische Amt der EU in Luxemburg bekannt gab. In Deutschland dagegen war es im selben Jahr jeder Fünfte, der für einen Dumpinglohn arbeiten gehen musste.

Niedriglohnempänger sind Arbeitnehmer, deren Bruttostundenverdienst zwei Drittel oder weniger des nationalen Medianverdienstes beträgt.

Zwischen Frauen und Männern bestanden allerdings in der EU28 dabei erhebliche Unterschiede. So waren Männer nur mit 13,5 Prozent betroffen, die Quote der Frauen lag bei 21,1 Prozent. Zudem zählte fast ein Drittel mit 30,1 Prozent der Arbeitnehmer unter 30 Jahren zu den Niedrigverdienern, gegenüber 14 Prozent oder weniger in den Altersgruppen zwischen 30 und 59.

Die meisten Niedriglohnempänger gab es in Letlland mit 25,5, Rumänien mit 24,4, Litauen mit 24 und Polen mit 23,6 Prozent berechnet. Es folgten Estland mit 22,8, Deutschland 22,5, Irland 21,6 und dem Vereinigten Königreich mit 21,3 Prozent. Dagegen wurden in Schweden mit 2,6, Belgien mit 3,8, Finnland mit 5,3, Dänemark mit 8,6, Frankreich mit 8,8 und Italien mit 9,4 Prozent wesentlich weniger Niedriglohnempfänger ermittelt.

Im April 2014 arbeiteten 21,4 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Niedriglohnsektor. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Einen deutlichen Unterschied gab es demnach zwischen Ost- und Westdeutschland. Während im Westen 19,3 Prozent der Beschäftigten ohne Auszubildende einen Niedriglohn erhielten, waren es im Osten 34,5 Prozent.

Die Niedriglohnschwelle lag 2014 bei einem Bruttolohn von 10 Euro pro Stunde. Der für Vollzeitbeschäftigte errechnete Bruttomonatslohn lag bei 1.993 Euro.

Ob jemand einen Niedriglohn erhält, hängt stark von seiner beruflichen Qualifikation ab. So geht aus der Antwort hervor, dass 46,4 Prozent der Beschäftigten mit Niedriglohn keine Berufsausbildung hatten. 20,9 Prozent hatten eine anerkannte Berufsausbildung und nur 4,5 Prozent einen Hochschulabschluss.

Zu den Wirtschaftsbereichen mit den höchsten Anteilen an Niedriglohnjobs gehören Friseur- und Kosmetiksalons, die Taxibranche, Zeitarbeit, das Wäschereigewerbe und die Gastronomie.

Unterschiedliche Aussichten von Geringqualifizierten

Duisburg, 24. Oktober 2016

Duisburg, 08. November 2016

Die Chancen und Aussichten von Geringqualifizierten auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind naturgemäß alles andere als gut. Niedriglöhne machen diese Situation natürlich auch nicht besser. Schon gar nicht Ausnahmen vom Mindestlohn. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Untersuchung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

„Hier weitere Ausnahmen vom Mindestlohn zu erlauben, wäre eher kontraproduktiv. Sie würden die Preiskonkurrenz bei einfachen Tätigkeiten verschärfen, ohne nachhaltige Perspektiven zu bieten“ stellten Dr. Claudia Weinkopf und Dr. Thorsten Kalina im neu erschienenen IAQ-Report dazu fest.

Trotzdem gibt es auch im Niedriglohnsektor unterschiedliche Entwicklungen. Denn von den Beschäftigten, die unter 8,50 Euro pro Stunde verdienen, war nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in den Jahren 2014 und 2015 deutlich weniger als jeder Dritte tatsächlich gering qualifiziert. Die große Mehrheit hatte eine Berufsausbildung abgeschlossen oder sogar einen akademischen Abschluss erworben.

Auch die Jobchancen von gering Qualifizierten haben sich mittlerweile keineswegs so ungünstig entwickelt, wie man vermuten könnte. Ihre Arbeitslosenquote ging seit 2009 sogar leicht zurück, und in einigen Branchen und Tätigkeitsbereichen wurden gering Qualifizierte auch deutlich öfter eingestellt.

Häufig werden Gering oder auch Unqualifizierte mittlerweile allerdings auch von Bewerbern mit höherem Abschluss verdrängt. Knapp 55 Prozent der einfachen Tätigkeiten werden nämlich von berufsfachlich Qualifizierten, rund 38 Prozent von Personen ohne Abschluss und rund sieben Prozent sogar vermehrt von Akademikern ausgeübt.

Eine Empfehlung haben die Experten des IAQ für die Zukunft jedenfalls parat: „Die Firmen, aber auch Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen die abschlussbezogene Aus- und Weiterbildung ausweiten. Dabei sollten die Aufstiegschancen von Beschäftigten, die unterwertig eingesetzt sind, gezielt gefördert werden. So lassen sich bei den einfachen Tätigkeiten mehr Einstiegspositionen für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose erschließen“.

Forderung: Deutsches Bildungssystem muss reformiert werden

Duisburg, 05. April 2015

Duisburg, 20. April 2015

Drastischer könnte man es wohl kaum formulieren: Eine grundsätzliche Reform des deutschen Bildungssystem muss schnellstens her. Gründe dafür liegen auf der Hand: Viel zu viele Jugendliche haben keinen Berufsabschluss, die Nachfrage nach Fachkräften wird nicht durch das deutsche Bildungssystem bedient. Es droht zudem ein Anwachsen der Langzeitarbeitslosigkeit.

Der deutsche Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) fordert von Politik und Wirtschaft ein schnelles Umdenken, bzw. eine präventive Bildungspolitik. Ansonsten wird die Zahl der Langzeitarbeitslosen nach Meinung Boschs erheblich steigen.

Bosch lässt seine Aussage belegen durch die Tatsache, dass das Bundesinstitut für berufliche Bildung (BiBB) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) festgestellt haben, dass es im Jahr 2025 rund 1,3 Millionen mehr gering Qualifizierte geben wird, als die Wirtschaft einsetzen kann. Schon seit rund 20 Jahren liegt deren Arbeitslosenquote über 20 Prozent.

Desweiteren wurde der wachsende Niedriglohnsektor in Deutschland nicht zum erhofften Auffangbecken einfacher Arbeit. Denn inzwischen sind 75,4 Prozent der Niedriglöhner qualifiziert, davon haben 66,8 Prozent eine berufliche oder sogar wie 8,6 Prozent eine akademische Ausbildung. Auch der Beschäftigungsaufschwung der letzten Jahre ist an den gering Qualifizierten fast spurlos verbeigegangen.

Der wichtigste Trend ist die sinkende Nachfrage nach einfacher Arbeit, stattdessen sind zunehmend beruflich und akademisch ausgebildete Fachkräfte gefragt. Auf dem Dresdener Bildungsgipfel 2008 strebten die Regierungschefs das anspruchsvolle Ziel an, den Anteil der jungen Erwachsenen (20- bis 29-Jährige) ohne Berufsabschluss bis 2015 von rund 17 Prozent auf 8,5 Prozent zu halbieren.

Ziel verfehlt: 2013 hatten immer noch rund 1,4 Millionen junge Menschen ? 13,8 Prozent ? keinen Berufsabschluss und waren auch nicht dabei, einen zu erwerben. Während sich so Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt, droht auf der anderen Seite Fachkräftemangel.